Fröhlichen Ringelreihen tanzen Buben und Mädel auf maigrünem Anger. »Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her«, singen die hellen Kinderstimmen dazu, und dann folgt ein anderes ausgelassenes Spiel mit tüchtigem Rennen und Jagen; »der Fuchs kommt«, nennen sie’s, jeder spielt es so gern.
Ja, in aller Munde ist er und allen vertraut, Freund Reineke mit der buschigen Lunte und dem ergötzlichsten Schelmengesichtchen der Welt; selbst das kleine Nesthäkchen auf Mutters Schoße kennt das Konterfei des schlauen Betrügers im Bilderbuch ganz genau, und die älteren Geschwister wissen manche Geschichte von ihm: wie er dem eitlen Raben den Käse abschmeichelt, die unschuldigen Tauben berückt, den stolzen »Gockelmann« packt, wie er seinem größeren Vetter, dem Wolf, so arg mitspielt, den Hasen um seinen Schwanz bringt, wie er aber bisweilen auch selbst genarrt wird, von der Katze und vom Hahn, ja sogar vom harmlosen Häschen. Das Lesebuch enthält all diese schönen Geschichten, die Brüder Grimm, Ludwig Bechstein, Hagedorn, Simrock und besonders Robert Reinick – es liegt schon im Namen – den Kindern erzählt haben; sie werden nicht müde, die hübschen Märchen und Fabeln immer von neuem zu lesen. Und dann das plattdeutsche Epos »Reinke de Vos«, das 1498 zu Lübeck gedruckt ward, und endlich der ganz große Dichter, hat er nicht auch dem Fuchs ein Denkmal gesetzt, seine lustigen Streiche für alle Zeiten verewigt!
Ein Denkmal – ach ja, das ist der richtige Ausdruck! Als Goethe sein Tierepos schrieb, da galt es noch einem Lebenden; heute ist der Fuchs aus manchem deutschen Gau verschwunden, und wenn man ihm weiter so rücksichtslos nachstellt mit Gift und Fangeisen und tödlichem Blei, wenn der Jäger im Frühling jeden Bau seines Reviers ausgräbt und die niedlichen Jungfüchse den mordlustigen Hunden erbarmungslos preisgibt, so wird es auch über kurz oder lang von Reineke heißen, wie vom Wolf, vom Luchs und von der Wildkatze: vergangen, vorbei! Wohl lebt er dann noch weiter im Bild, im Lied und im Märchen – »es war einmal …«, aber draußen in freier Natur auf sonniger Heide läuft dem Wanderer nie ein Fuchs mehr über den Weg, und Malepartus, die Raubburg, liegt tot und verlassen. Höchstens hoppeln Karnickel vor ihren Eingängen; die haben jetzt gute Zeit, wie die Mäuse im Haus, wenn die Katze vom bösen Nachbar in der Kastenfalle gefangen und dann grausam ersäuft ward. Vielleicht sehe ich zu schwarz. Der schlaue Betrüger hat es ja noch immer verstanden, dem Jäger ein Schnippchen zu schlagen, und in den größeren waldreichen Revieren, im Gebirge wie im Niederland, haust Reineke auch heute noch und fristet sein Leben, so gut er’s vermag. Ja, während der Kriegszeit haben die Füchse, so sagte man mir, hier und da stark an Zahl zugenommen; die Männer vom grünen Tuch standen an der Front und hatten wichtigere Arbeit, als Jungfüchse zu graben oder den alten Rüden und Fähen nachzustellen. Aber seit der Preis eines guten Winterbalgs eine schwindelnde Höhe erreicht hat, ist auch die Gefahr für den Roten, dem Jäger zum Opfer zu fallen, erheblich gestiegen.
‘s ist doch gar ein lieber Kerl trotz aller bösen Ränke und Schliche, und erst seine hoffnungsvollen Sprößlinge – ergötzlichere Kinder, allezeit lustig, übermütig, flink und täppisch zugleich, gibt es weit und breit in keiner andern Familie.
Ich weiß einen Fuchsbau, der liegt mitten drin in der einsamen Heide. Außer mir weiß nur noch der Förster davon, und der ist mein Freund. Er hat mir versprochen, in diesem Jahr die alte Fähe und ihre Jungen zu schonen, weil es der einzige Fuchsbau in dem ganzen Revier ist. Die Karnickel unterwühlen den lockeren Boden in entsetzlicher Weise und benagen die jungen Bäumchen der Schonung, daß man wirklich nur froh sein kann, wenn sie jemand in Schach hält.
Folgt mir hinaus an die Stelle! Jetzt im April ist’s am lustigsten dort. Die Birken am Weg haben ihr duftiges Brautkleid angezogen, das sich so schön von den dunkeln Nadeln der ernsten Föhren abhebt; die Singdrossel jubelt im Wipfel des einsamen Überständers; der Specht ist an seiner Arbeit, und richtig – der erste Kuckuck! Wohl hundertmal ruft er; man freut sich doch in jedem jungen Lenz wie ein Kind, wenn man den lieben Ruf von neuem vernimmt.
An einem sanften Hang zwischen niedrigen Kiefern ist eine Lichtung. Dornige Sträucher, Heidekraut, allerhand Gräser und Stauden bedecken den Boden, auch ein Paar Bäumchen mit gelbbraunen vertrockneten Nadeln liegen, die Stämmchen gekreuzt, wirr umher; der Herbststurm im vorigen Jahre entwurzelte sie, denn der unterhöhlte Boden gab ihnen keinen sicheren Halt. Ja, an zwei Stellen ist das lockere Erdreich in die Tiefe gesunken, unregelmäßige Löcher, etwa einen Meter im Durchmesser. Früher hauste der Dachs hier; jetzt sind es die Eingänge von Reinekes Wohnung, zu der enge »Röhren« hinabführen. Weiter oben ist noch ein ähnliches Loch, nicht ganz so groß, und etwas abseits ein viertes; das ist aber verschüttet.
Daß der Bau wirklich bewohnt ist, erkennt man sofort. Die Einfahrten sind glatt getreten, und aus dem Innern dringt uns ein unangenehmer Geruch entgegen, daß wir den Atem anhalten. Diesen Fuchsgeruch zu beschreiben, ist nicht möglich; wer aber das durchdringende Parfüm nur ein einziges Mal frisch an der Quelle eingesogen hat, der bringt’s so leicht nicht wieder aus der Nase, und unverlierbar bewahrt er’s in seinem Gedächtnis. Auch die Reste der Mahlzeiten, die hier und da vor dem Bau liegen, verpesten mit ihren Verwesungsdüften die Luft, und nur die vielen Schmeißfliegen, die sie umschwärmen, haben ihre Freude daran. Hier der Flügel einer Krähe, dort eine angefressene Ratte, daneben der Lauf eines Rehs, unter dem Kieferngestrüpp der Kopf eines Karnickels, verschieden große Fetzen vom Fell eines Hasen, mit Blut besudelte Federn der Ringeltaube und ganz nah an der einen Einfahrt sogar der bleiche Schädel einer Hirschkuh; irgendwo hat die Füchsin das verendete Tier aufgefunden und dann den abgebissenen Kopf mühsam hierhergeschleppt. Dies alles bildet ein Stilleben eigentümlicher Art; es redet eine deutliche Sprache von List und Gewalt, von Mordgier und – Mutterliebe!
Die Sonne neigt sich zur Rüste, die Wipfel der einzelnen hohen Föhren, die auf das Jungholz herabschauen, in purpurnes Licht tauchend. Da wird es lebendig vor dem Fuchsbau. Ein verschmitztes Gesichtchen erscheint in einem der Eingänge; es blinzelt nach links und nach rechts und hinauf zu dem tiefblauen Himmel. Dann mit einemmal ist der kleine Kerl draußen. Auf den Hinterbeinen hockend, richtet er sein Köpfchen altklug empor, als wollte er schauen, was für Wetter es heut abend gibt und wie für morgen die Aussichten sind. Das feine Näschen schnuppert dabei nach allen Richtungen, und das dichte Wollkleidchen an der Brust zittert; so heftig und schnell atmet die Lunge die Luft ein und aus. Das Füchslein sichert, es »wittert«, ob sich etwa eine Gefahr in der Nähe versteckt hält; von der Frau Mutter hat’s der Kleine gelernt und macht es nun auch so wie sie – oder liegt ihm diese Vorsicht von Haus aus im Blut? Nun schüttelt das Füchslein sein licht gelblichgraues Kinderkleid, das beim langen Schlaf in dem engen Raum etwas verdrückt ward, fährt mit dem einen, dann mit dem andern schwärzlichen Pfötchen über die Lauscher und über’s Gesicht; aber plötzlich mit einem Hops ist es wieder am Röhreneingang und äugt scharf in die Tiefe, ob die Geschwister nicht nachkommen. Alle Muskeln gespannt, ohne jede Bewegung; nur der horizontal ausgestreckte Wollschwanz schwingt ganz leise nach rechts und nach links.
Ein täppischer Satz zur Seite – da ist schon der erwartete Bruder. Er blinzelt gegen die untergehende Sonne, deren letzter Strahl sein grau-grünliches Auge trifft. Nun kann es beginnen, das fröhliche, ausgelassene Spiel. Mit den Perlenzähnchen haben sie einander gepackt, jetzt im dichtwolligen Nacken, jetzt an den Pfoten, dann an der Lunte oder am Ohr. Sie zerren ganz tüchtig, balgen und kollern sich mutwillig am Boden umher, richten sich gegenseitig auf, mit den Vorderpfoten einander umarmend, überschlagen sich und kugeln den Hang ein Stückchen hinunter; doch mit raschen Sprüngen geht’s wieder hinauf. In geduckter Haltung kauern sie jetzt einander gegenüber, jeder zu neuem Angriff bereit und einer vom andern erhoffend, daß er das hübsche Spiel wieder beginne. Da springt der eine Partner plötzlich empor: Brüderchen hasch’ mich! Keuchend mit hängender Zunge geht es rings um den Bau, bis sie sich wieder gepackt haben.
Erst wenn die ausgelassenen Füchslein müde und ganz außer Atem sind, rasten sie ein wenig in hockender oder in liegender Stellung, »alle Viere« weit ausgestreckt. Aber während die Lunge noch keucht, daß Brust und Weichen sich heftig bewegen, sinnt das kluge Gesichtchen mit den listigen Augen und den aufrecht gestellten Lauschern schon wieder nach neuem, noch tollerem Spiel. Sie zerren am Krähenflügel, machen sich jeden Fetzen vom Hasenbalg streitig – was der eine packt, das will der andre gerade auch haben, »man weiß, wie Kinder sind« – dann suchen sie den schwirrenden Roßkäfer täppisch mit den dunkeln Pfoten zu erwischen oder schnappen nach dem Abendfalter, der ihnen um die Nase herumfliegt. Unterdessen sind auch die drei andern Geschwister auf der Bildfläche erschienen, und nun geht es noch lustiger zu. »Der Jäger kommt!« spielen sie gern. Das machen sie so: keins darf sich rühren, nicht mit den Ohren zucken, keinen Muskel bewegen. Plötzlich springt eins in die Höhe; einen Haken schlagend, rennt der kleine Kobold davon, so schnell er nur kann. Im Nu stieben die andern ebenso auseinander, und in wenig Augenblicken haben sie sich dann alle fünf auf ihrem Tummelplatz wieder vereinigt, um das hübsche Spiel von neuem zu beginnen.
Die Sonne ist untergegangen; grau senkt sich die Dämmerung über die Heide. Da erscheint der Kopf der alten Füchsin im Höhleneingang; mit Lauschern und Windfang prüft sie vorsichtig, ob alles ganz sicher sei, fährt knurrend wieder zurück, weil etwas im Kieferngeäst raschelt – ein Vogel, der sein Schlafplätzchen sucht – doch endlich steht sie im Freien. Sie streckt sich, schüttelt den Sand und den Staub aus ihrem rothaarigen Wams, leckt und liebkost die Kinder, die sich herandrängen, und beteiligt sich schließlich auch ein wenig an dem muntern Spiel, da die Kleinen gar so sehr betteln.
Eine gute Figur macht die Alte um diese Jahreszeit nicht; sie ist dürr und hager am ganzen Leib, und der Pelz ist verdrückt, am Bauche sehr schütter und nicht mehr so frisch in den Farben. Das ist kein Wunder; fünf Kinder auf einmal! Sie wollen alle gesäugt und gewärmt sein, da kommt man schrecklich herunter. Wochenlang konnte die Füchsin nur auf Stunden den dunkeln Bau verlassen, um den nagenden Hunger zu stillen. Und wenn sie nichts anderes fand, als nur ein paar Mäuschen oder irgendeinen Kleinvogel, so mußte sie kaum halbgesättigt zu den ungeduldigen Kindern zurück; die verlangten nach Speise und fragten nicht, ob auch der Mutter eine Mahlzeit geworden. Seit acht oder vierzehn Tagen sind nun die Kleinen entwöhnt. Das war nicht so leicht; immer und immer wieder suchten sie nach dem Milchquell, wenn auch die Mutter ärgerlich knurrend sie gar unsanft zurückstieß. Die von Tag zu Tag fester zupackenden Zähnchen konnte die Fähe an dem zarten Gesäuge aber nicht länger ertragen, und so gab’s manchen Klaps mit den Pfoten, und das Fell wurde den Kindern oftmals ganz tüchtig geschüttelt, bis sie schließlich begriffen, daß die Tauben und Hühner, die jungen Karnickel oder die Mäuschen, die die Mutter mit heimbrachte, den Hunger ebenso stillen.
Jetzt gießt der aufgehende Mond sein silbernes Licht über die schlafende Heide; da denkt die Alte: nun ist’s Zeit für den Pirschgang! Sie wittert nochmals nach allen Seiten; dann schleicht sie davon, zwischen dem Pflanzengestrüpp leise dahinkriechend, daß der Bauch fast den Boden berührt. Ein paarmal fährt sie knurrend zurück, wenn eins der Kleinen ihr zu folgen versucht, aber bald ist sie unter den Ästen der jungen Kiefern verschwunden. Nun seid auf der Hut, ihr Bewohner des Feldes, ihr Mäuse, Hamster und Maulwürfe, die ihr gleichfalls so gern zur nächtlichen Stunde aus eurer Wohnung hervorkommt: der böse Feind ist hinter euch her! Oder ihr Fasanen- und Rebhuhnmütter, wie wird’s euch ergehen! Der Fuchs schleicht leise heran, die Nase immer gegen den Wind, daß er die Beute von fern schon wittert – ein Sprung, ein fester Griff, und ihr seid in seiner Gewalt! Dem Junghäschen, das in einer Feldfurche schläft, dem unerfahrenen Karnickel, das draußen am Waldrand noch im Mondschein äst, der Ratte, die am Schweinekoben des Bauernhofs sich zu schaffen macht, ergeht es nicht besser, und wehe den Hühnern und Gänsen, wenn der Geflügelstall nicht ganz gut verwahrt ist!
Sobald die Füchsin eine Beute gemacht hat, kehrt sie zu ihrer Wohnung zurück; an ihre Kinder denkt sie immer zuerst; meist wird es Morgen, ehe sie den eignen Magen befriedigt. Aber wie vorsichtig ist die Fähe, wenn sie sich dem Bau nähert! Nie wird sie den geraden Weg nehmen; sie umkreist vielmehr, oft stehenbleibend und lauschend, in weitem Bogen ihr Heim. Wittert sie irgend etwas Verdächtiges, so kläfft sie, ähnlich wie ein Hund, doch mit verhaltener Stimme, daß sich die Füchslein in den schützenden Bau flüchten; erst wenn ihr alles ganz sicher erscheint, schleicht sie heran. Das ist dann eine Freude! Die hungrigen Kinder fallen über die leckere Beute her, balgen und beißen sich drum, und jedes sucht das beste Stück zu erwischen.
Ein Weilchen schaut die Mutter ihrer munteren Schar zu, hilft wohl auch beim Zerlegen des Bratens; aber dann tritt sie von neuem den nächtlichen Pirschgang an. Sind alle gesättigt, daß sie mit den Resten der Mahlzeit nur noch ihr ausgelassenes Spiel treiben, so holt die Füchsin vom Felde vielleicht noch ein lebendes Mäuschen, und nun geht es dem graufelligen Tierchen nicht anders, als wenn eine Katze es erwischt und ihren Jungen gebracht hätte.
So kommt der Morgen heran. Schon jubelt die Drossel, Rotkehlchens Lied, die weiche Stimme des Fitis durchzittert die Luft, und hell schmettert der Fink seine Fanfare – da zieht sich die ganze Gesellschaft, eins nach dem andern, still in die Höhle zurück; sie schlafen hier bis gegen Abend. Nur manchmal währt die Ruhe ein oder dem andern vorwitzigen Fuchskind zu lang. Es schaut dann zu dem Höhleneingang sehnsuchtsvoll hinaus, blinzelt mit den listigen Augen – die Sonne scheint ihm auch gar zu hell ins Gesicht – und schließlich versucht es ein Schläfchen, mitten im Toreingang zur unterirdischen Burg, wie sein zahmer Vetter, der Hofhund, der die Vorderpfoten zur Tür seiner Hütte herausgestreckt hat und nun gemütlich schlafend mit Schnauze und Kopf auf diesem natürlichen Kissen ruht. Bisweilen wagen sich die Jungfüchse auch schon mittags auf ihren Spielplatz, wenn die Maisonne hoch vom Himmel zwischen den schlanken Stämmen auf den Fuchsbau herabscheint; aber wirklich lustig wird’s doch immer erst gegen Abend.
Sind die Füchslein ein paar Monate alt, so dürfen sie die Mutter auf ihren nächtlichen Streifzügen begleiten, zuerst bis zum Waldrand, später weiter hinaus ins Saatfeld, ins Röhricht am Weiher, oder gar bis zu den ersten Bauerngehöften des Dorfes.
Wie man das Karnickel beschleicht, einen Junghasen würgt, den schlafenden Vogel erwischt, zeigt ihnen die Alte. Sie begreifen gar schnell; denn es liegt ihnen im Blut, sich mäuschenstill heranzupirschen, jede Deckung zu benutzen und selbst in der Freude über den gelungenen Raub keinen Augenblick die eigene Sicherheit aus dem Auge zu lassen.
Ein Vierteljahr mögen die Geschwister alt sein oder wenig darüber, da unternehmen sie bereits auf eigene Faust kleine Streifzüge. Sie stellen sich gegen Morgen gewöhnlich in der gemeinsamen Kinderstube wieder ein; aber gelegentlich suchen sie auch ein anderes Versteck auf.
So lösen sich ganz allmählich die Beziehungen zwischen Mutter und Kind und zwischen den Spielkameraden. Wenn der Herbststurm durch die kahle Heide braust, kennt keins das andere mehr, jedes geht nun seine eigenen Wege und schlägt sich selbständig durchs Leben, das ihm der Gefahren so viele bringt.
Und der Vater?
Er kümmert sich um seine Familie fast gar nicht und ist selten zu Hause; kommt er einmal, gleich gibt’s Zank, Beißen und Kläffen zwischen den Eltern, und die Mutter ruht nicht eher, als bis Vater Reineke wieder »verduftet«, in des Worts vollster Bedeutung.
Die Erziehung der Kinder liegt allein auf den Schultern der Fähe; der Rüde hält von Pädagogik nicht das geringste. Seine Losung heißt: »Selber essen macht fett«; darum sieht er auch im Frühjahr wohlgenährt aus, und tadellos ist sein rotbrauner Pelz. Nur wenn die Alte durch ein herbes, Geschick den Jungen geraubt ward, mag es bisweilen vorkommen, daß sich die Väter der vor Hunger kläffenden Kinder erbarmen und ihnen Futter zuschleppen.
Zur Osterzeit gibt’s immer junge Füchslein im bewohnten Bau, meist fünf bis sechs, einmal waren es sogar acht.
Möge sich dieser Kreislauf des Lebens mit jedem Lenz, wenigstens hie und da, in unsern deutschen Forsten erneuern!
Es wäre traurig, wenn man ihn ganz ausrottete, den listigen, Ränke schmiedenden Schelm! Dann würde wohl der Förster unsre Enkel an eine Stelle im Wald führen und ihnen erzählen: »Hier färbte die rote Tinte den letzten Fuchs im Revier; man hat ihm das hübsche Denkmal gesetzt wie drüben im Nachbarrevier seinem Vetter, dem Wolf!« Aber mit dem fröhlichen Leben, dem ausgelassenen Spiel vor Malepartus, der Raubburg, wär’s dann für immer vorbei.