Die Ziele und Bestrebungen der Menschen sind verschieden und müssen es sein. Was bringt mir Nutzen und Gewinn? was ist für mich persönlich von Vorteil? was kann mir schaden? was steht mir im Wege, mein Ziel zu erreichen? Das sind die täglichen Fragen des einzelnen.
Aber der einzelne vermag wenig. Gleichgesinnte haben sich deshalb zu Verbänden zusammengeschlossen, um mit vereinten Kräften das gemeinsame Ziel zu verfolgen. Solcher Vereine oder Verbände gibt es unzählige, und wo sie lediglich äußere Vorteile im Auge haben, wo die Frage nach Nutzen und Schaden im Vordergrund steht, da kreuzen sich ihre Interessen vielfach, und es treten Gegensätze hervor, die oftmals zu erbitterten Kämpfen führen.
Der Landwirt, der Jäger, der Fischzüchter, der Obstgärtner, der Imker u. a., sie glauben ein Recht zu haben, mit allen Mitteln die Ziele zu verfolgen, die ihnen ihr Beruf setzt. Sie vergessen aber nur zu leicht dabei die Rücksichtnahme, die sie ihren Mitmenschen schuldig sind, und nicht nur diesen, sondern unserer gemeinsamen Mutter, der Natur, der wir alles verdanken.
Der Jäger sucht die Feinde seines sorgsam gehegten Wildstandes unschädlich zu machen; er stellt also auch den Raubvögeln nach, deren herrlicher Flug das Auge und Herz des Naturfreundes erfreut, und er fragt wenig danach, ob er dadurch den Landwirt schädigt, zu dessen treuesten Verbündeten im Kampfe gegen die Mäuse gerade sehr viele Raubvögel gehören. Der Fischereiberechtigte leidet den farbenprächtigen Eisvogel nicht und fängt ihn in kleinen Tellereisen, obgleich die Vogelfreunde sich bemühen, diesen herrlichen Edelstein der heimatlichen Vogelwelt vor völligem Untergang zu bewahren, oder er setzt Prämien für die Erlegung des Fischadlers und anderer Fischfeinde aus, bepelzt und befiedert, deren Vernichtung auch die Wissenschaft beklagen muß, sobald es sich um seltene Naturdenkmäler handelt. Der Bienenzüchter ist den Meisen und Rotschwänzchen feindlich gesinnt, die ihm manche Biene wegschnappen; er vergißt dabei, daß gerade diese Vögel dem deutschen Forstmann wie dem Obstgärtner von allergrößtem Nutzen sind. Der Pächter von Kirschplantagen klagt darüber, daß der Vogelfreund den Star durch Aushängen von Nistkästen in mancher Gegend unseres Vaterlandes in einer Weise vermehrt habe, daß die Kirschenernte durch diesen Vogel arg geschmälert werde. Die Katze, die dem Gutsbesitzer unentbehrlich ist, wird geschossen, wenn sie sich am Waldrande zeigt, oder der Vogelschützler fängt sie in der Falle, die er in seinem Garten aufgestellt hat. Und so geht es weiter: überall Gegensätze, überall Meinungsverschiedenheiten zwischen den Jagdschutz-, Fischereischutz-, Vogelschutz-, Obstbau-, Bienenzüchter-, Gärtner-, Naturschutzvereinen und ihren einzelnen Vertretern, und jeder glaubt im Recht zu sein, wenn er sich über die Handlungsweise des Nachbarn bitter beklagt.
Und doch, nur ein klein wenig gegenseitiges Verständnis, ein wenig Rücksichtnahme, freundliches Entgegenkommen von der einen Seite wie von der andern: wahrhaftig, mancher Streit könnte beigelegt, mancher Zusammenstoß gemildert werden. Wir wollen doch nicht ganz aufgehen in unsern persönlichen Interessen, nicht immer nur nach Nutzen und Schaden fragen, nach eignem Vorteil und Gewinn. Auf eine höhere Warte müssen wir uns stellen und das große Ganze überblicken, nicht den einzelnen im Auge haben, sondern die Gesamtheit. So verschieden die Bestrebungen und Ziele auch sein mögen: in dem einen großen und idealen Ziele finden wir uns schließlich doch alle zusammen: die Natur unsrer Heimat möchten wir so gern in ihrer heiligen, unverletzlichen Schönheit erhalten wissen, soweit es ohne wesentliche Schädigungen berechtigter Sonderinteressen nur irgend möglich ist. Schutz unsrer Heimat! das muß unsre Losung sein; alles andre hat sich diesem allgemeinen Ziel unterzuordnen.
Wer den großen, gar nicht hoch genug einzuschätzenden Vorzug besitzt, daß ihn sein Beruf in die innigste Berührung mit der Natur bringt, der darf nie vergessen, daß er dieser unsrer Allmutter, wie seinen weniger begünstigten Mitmenschen gegenüber Verpflichtungen schuldet, die den eignen persönlichen Interessen vorangehen. Und so sollten sich all diese Begünstigten die Hand zum Bunde reichen und sich zusammenfinden in der Idee des Heimatschutzes, der kein kleinliches Partei-, kein einzelnes Berufsinteresse kennt. Die gefährdeten Geschöpfe unsrer Heimat gilt es zu erhalten, nicht zu vernichten! Wir haben kein Recht, die Natur zu verstümmeln. Wir wollen uns nicht nur der nützlichen und harmlosen Tiere annehmen, sondern auch derjenigen, die sich in vielen Einzelfällen als schädlich erweisen, und wollen diese wenigstens soweit dulden, daß sie nicht völlig von der Bildfläche des Lebens schwinden – unrettbar, unwiederbringbar!
Die Fischerei hat über die Menge der tierischen Feinde vielleicht noch mehr zu klagen als die Jagd. Dabei wollen wir die kleineren Räuber, die den Kerbtieren angehören, ganz unberücksichtigt lassen: den Gelbrand und seine Larve, die nicht nur die junge Brut überfallen, sondern sich auch nicht scheuen, mit ihren scharfen Freßwerkzeugen selbst größere Fische anzubeißen, oder den Rückenschwimmer, auch Wasserwanzen und Wasserskorpion, ebenso die äußerst räuberischen Larven mancher anmutigen Libellen, die als fertige Insekten zu den harmlosesten Tieren gehören. Wir wollen nur an die vielen Fischfeinde oder, besser gesagt, an die Fischliebhaber denken, die dem Fischereiberechtigten aus der Reihe der Wirbeltiere mancherlei Schaden verursachen.
Ein wirkliches Raubtier, der Fischotter, der Familie der Marder angehörend, ist wohl am meisten gefürchtet. Töricht und ungerechtfertigt wäre es, vom Fischereiberechtigten zu verlangen, diesen bösen Fischräuber unbehelligt zu lassen. Wo er sich in unsern Teichgebieten zeigt, die vornehmlich der Karpfen- und Schleienzucht dienen, da bleibt dem Besitzer oder Pächter gar nichts anderes übrig, als den Otter im Eisen zu fangen oder auf dem Anstand zu schießen oder auch durch scharfe Otterhunde und Teckel ihn in seinem Bau aufzustöbern; denn der Schaden, den der gewandte Schwimmer hier anrichtet, ist unberechenbar groß, zumal der Fischotter ungleich mehr Fische vernichtet, als er zu verzehren vermag. Auch den Möweneiern, der Kiebitzbrut, jungen Gänsen und Enten, zahmen wie wilden, stellt der mordgierige Räuber nach. Aber es gibt doch auch Gewässer in unserm Vaterland, Flüsse und Bäche, wo von größerem Fischreichtum nie die Rede sein kann. Wenn sich hier ‘mal ein Fischotter zeigt und der Fischereiberechtigte fängt nun an zu rechnen: 6 Pfund Fische täglich zum Fraß und noch doppelt so viel aus reiner Mordlust, macht 18 Pfund auf den Tag oder 65 Zentner im Jahre; alles halbpfündige Forellen vielleicht – mir schwindelt der Kopf, wenn ich dran denke, wieviel Tausende Papiermark das ausmacht: so ist solches Rechenwerk einfach lächerlich; denn so viel Fische beherbergt der ganze Fluß nicht, selbst wenn man die winzigsten Schneider mitrechnet. Oder hofft der Fischer etwa, wenn er den Übeltäter erst ‘mal hat nun die 65 Zentner Fische selbst einheimsen zu können? Vergebliche Hoffnung! Zu fischreichen Gründen, wie sie es vielleicht ehemals waren, als die Fabriken durch ihre Abwässer den Flußlauf noch nicht verunreinigt hatten, werden derartige Gewässer niemals wieder sich umwandeln, ob man den Otter gewähren läßt oder ihn wegfängt.
Zum Glück ist der Herr der Seen und Flüsse ein kluges Geschöpf, vorsichtig, mißtrauisch; die geringste Veränderung in der Nähe seines Baues und Ausstieges bemerkt er sofort, und so müht sich der Fänger in vielen Fällen vergeblich ab, den Fischräuber zu überlisten. Wir dürfen hoffen, daß das interessante »Fischsäugetier« unserer Heimat trotz aller Nachstellungen, wenn auch in verschwindend geringer Anzahl, erhalten bleibt.
Auch die Verwandten, die Mitglieder der eigentlichen Marderfamilie, stellen gelegentlich den Karpfen und Schleien und selbst den flinken Forellen nach. Gute Schwimmer sind sie alle, und was sie erreichen können zu Land und zu Wasser, wird erbarmungslos gemordet. Aber gerade die Vielseitigkeit ihres Speisezettels – Eichkatzen, Wildtauben, Häher, Krähen, allerlei Kleinvögel und ihre Eier, Mäuse und Frösche, Ratten, Junghasen, Kaninchen, Fasanen, Eidechsen, Fische, Maikäfer usw. – beweist, daß sowohl die größeren Arten, Baum-, Hausmarder und Iltis, als auch die kleineren, Hermelin und Mauswiesel, neben beträchtlichem Schaden, den sie vor allem der Niederjagd zufügen, doch auch manchen Nutzen stiften. Wo sie sich zu stark vermehren, da soll man ihnen Einhalt gebieten; aber sie auszurotten, wäre eine sehr bedenkliche Maßnahme. Mäusefraß und Rattenschaden, übermäßige Vermehrung der Eichhörnchen oder auch der Krähen und Wildtauben würden solchen Weltverbesserern beweisen, daß sie auf dem Holzwege sind.
Auch die kleine Wasserspitzmaus wird des Fischraubes beschuldigt, und gewiß mag ihr manche Elritze, mancher Stichling zum Opfer fallen; aber wenn man bedenkt, daß die flinken, ewig hungrigen Spitzmäuse jedes Tier auffressen, das sie überwältigen können, Schnecken, Egel, Libellen- und Schwimmkäferlarven, Flohkrebse, Uferwanzen, Heuschrecken, Regenwürmer, Raupen, Larven von Köcherfliegen u. a., wird der Fischpächter versöhnlicher gestimmt werden und den kleinen muntern Schwimmern auch ‘mal ein Fischchen gönnen.
Über die Wasserratte, die im Gegensatz zu den bisher genannten Fleisch- und Insektenfressern zu den Nagetieren zählt, sind die Ansichten geteilt. Die einen meinen, die Wasserratte rühre kein Fischlein an; andere dagegen behaupten, kleine Fische fielen ihr häufig zum Opfer, und wo Fischzucht getrieben wird, dürfe es daher keine Wasserratten geben. Allzugroß wird der Schaden jedenfalls nicht sein, zumal der Nager durch den Fang fischfeindlicher Wasserinsekten manchen Verlust wieder auszugleichen mag.